Porridge: Eine JONATHAN SIMPSON-Kurzgeschichte (German Edition) by Kübler Udo

Autor:Kübler, Udo [Kübler, Udo]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2020-02-23T16:00:00+00:00

»Was meinen Sie, Jonathan, sollte Deutschland bei diesem System mit der ›falschen Neun‹ bleiben oder sollte man sich doch lieber nach einem echten Mittelstürmer umsehen?« Ich faltete die Zeitung zusammen und wandte mich erst meinem Cortado und dann meinem Protagonisten zu, der mir gegenüber Platz genommen hatte. Wie immer trafen wir uns nach getaner Arbeit im »THELMA’S«, dieser etwas zu schummrigen Bar zwischen hier und nirgendwo, um ein wenig über das gerade Erlebte zu plaudern.

Meine Frage von eben hatte Jonathan zwei heftig nach oben gezogene Augenbrauen und eine tiefgefurchte Stirn ins Gesicht gezaubert. »Wollen Sie jetzt allen Ernstes mit mir über Fußball fachsimpeln, Udo?«

»Es hätte mich eben einfach mal interessiert, was Sie über diese Sache denken, mein Bester. Wissen Sie, nach dieser verlorenen Europameisterschaft gibt es kaum eine Frage, die derart kontrovers diskutiert wird wie diese.«

»Verlorene Europameisterschaft? Von welcher verlorenen Europameisterschaft sprechen Sie denn gerade?«

»Von der Fußball-Europameisterschaft natürlich! Von was soll ich denn sonst reden?«

Jonathan lachte etwas gekünstelt auf. »Und die kann man verlieren? Wie kann man denn eine Fußball-Europameisterschaft verlieren?«

»Na, indem man beispielsweise gegen Frankreich im Halbfinale verliert?«

»Aber dann hat man doch lediglich ein Halbfinale verloren und nicht eine ganze Europameisterschaft.«

Ich brauchte sicher ein paar Sekunden, bis ich meiner Verwunderung Herr wurde. »Sorry, mein Bester, aber wenn man das Halbfinale verloren hat, ist man draußen. Dann hat sich die Sache mit der Meisterschaft erledigt, verstehen Sie?«

»Logo verstehe ich das. Aber eine Meisterschaft kann man doch nur verlieren, wenn man sie zuvor hatte! Oder sehen Sie das anders?«

Ich schaute ihn nur verständnislos an. Was redete der schon wieder für einen Unsinn daher? »Das ist doch Quatsch …!« Ich setzte zu einer heftigen Geste an, die meinem Unverständnis Ausdruck verleihen sollte, verstand allerdings schlagartig, was er mit seinen Worten auszudrücken suchte. »Oder anders ausgedrückt, es ist zwar absolut richtig, was Sie sagen, geht aber völlig am Thema vorbei.«

Jonathan feixte nur breit und orderte bei dem gerade vorbei huschenden Kellner einen Cortado und einen Brandy 103. Dann nestelte er eine Packung Fortuna aus seiner Brusttasche, klopfte eine Zigarette heraus, steckte sie zwischen die grinsenden Lippen und gab sich Feuer. Den Rauch blies er dann betont heftig mir genau ins Gesicht. Das waren ziemlich viele sehr deutliche Zeichen dafür, dass mein Protagonist mit einem erhöhten Adrenalinspiegel kämpfte, und ich mich deshalb lieber etwas zurückzuhalten hätte.

»Wie wär’s denn, wenn wir uns statt über Mittelstürmer und ›falsche Neunen‹ über einen griechischen Briten, Porridge und den Brexit unterhalten würden?«, fragte er mich da auch schon.

Ich konnte mir einen unwilligen Gesichtsausdruck so wenig verkneifen wie ein angedeutetes Rollen der Augen. Schnell griff ich zu dem Rest meines Cortados und stürzte ihn hinunter. »Sie hätten wenig Verständnis dafür, dass ich viel lieber über Fußball fachsimpeln würde, als mit Ihnen über das zu diskutieren, was Sie eben hier angedeutet hatten, stimmts?«

»Ich habe meines Erachtens nichts, aber auch gar nichts angedeutet, Udo. Stattdessen hatte ich klar und eindeutig formuliert, dass …«

»Jaaaa! Ich habe verstanden, mein Gott!« Rasch orderte ich bei dem Kellner, der gerade Jonathan mit Kaffee, Brandy und einem Aschenbecher versorgte, ein Glas Rosado, eine Flasche Wasser mit Gas und zwei Gläser.

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